Vor vielen Jahren sass ich beim Landeanflug nach Zürich im Flugzeug neben einem Amerikaner. Das sei aber eine seltsame Stadt, sagte er damals zu mir, die rund um einen See gebaut sei. Und tatsächlich bestätigte mir ein kurzer Blick aus dem Kabinenfenster, woran ich vorher noch nie gedacht hätte. Denn für mich war Zürich immer die Stadt am nordwestlichen Ende der «Wurst» und die Dörfer am Seeufer waren eigenständige Gemeinden. Also nichts da mit «rund um den See gebaut».
Zürich ist um den See gebaut
Aber beim genaueren Hinschauen ist es schon richtig: Über beide Seeufer breitet sich in zunehmendem Masse ein gleichförmiger Agglomerationsteppich aus – heute noch mehr, als damals beim Anflug auf Kloten. Die ehemals schmucken Dörfer am See sind zu einer grossen, monotonen Schlafstadt geworden. Dorfläden, Bäckereien, Wirtshäuser, Handwerks- und Gewerbebetriebe verschwinden aus den gewachsenen Dorfzentren und wenige Grossverteiler übernehmen die Versorgung der Bevölkerung. S-Bahnen und Strassen sind überlastet. Die stark frequentierten Verkehrsachsen zerschneiden die Dörfer, behindern den Zugang an die Seeufer und stellen eine immer grössere Luft- und Lärmbelastung dar.
Nun bin ich kürzlich auf die Visionen des Uetiker Architekten Hannes Strebel gestossen mit seiner Vision einer Seestadt: vom Menschen her gedacht und nicht von den Gemeindegrenzen. Und wie es Visionen so an sich haben: in naher Zukunft realisierbar sind sie wohl nicht, aber anregend für ein paar Gedankenspiele über die weitere Entwicklung der «Stadt rund um den See» oder für die eigene Gemeinde.
Ich bin persönlich überzeugt, dass es für eine nachhaltige Entwicklung unserer Region auch kühne Visionen braucht, die sich über das Machbare hinwegsetzen. Wie schon der Autor Kurt Marti in seinem wunderschönen Gedicht einmal richtig gefragt hat: «wo chiemte mer hi, wenn alli seite, wo chiemte mer hi, und niemer giengti für einisch z’luege, wohi dass me chiem, we me gieng?»
Die Vision Seestadt
Strebel schreibt über seinen Masterplan 2050: Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Region genau so wichtig wie eine sinnvolle Bereitstellung von Zonen für Wohnen, Gewerbe, Industrie, Erholung und Öffentlichkeit. Beides muss den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Sollen künftig ausreichend Grünflächen erhalten bleiben, müssen die Zentren verdichtet werden.

Gemäss Strebel ist SEESTADT die Vision einer künftigen Vereinigung der Gemeinden Meilen, Uetikon und Männedorf. Zentrum der neuen Stadt ist das Areal der Chemischen Fabrik Uetikon. (Bild: Hannes Strebel, 2014)
Über den Urheber der Vision Seestadt
Der umtriebige Uetiker Architekt Hannes Strebel ist einer der Pioniere der Fabrikrevitalisierung in der Schweiz. Er hat sich immer wieder mit provokativen Szenarien zu Wort meldet. 2012 hat er seine Vision einer Seestadt im Raum Meilen-Uetikon veröffentlicht und nun auch auf’s Internet gestellt, damit seine Gedanken intensiv und breit diskutiert werden.
Was meinen Sie zu dieser Vision? Was soll Ihrer Meinung nach aus Uetikon werden? Nutzen Sie doch einfach die untenstehende Kommentarfunktion und hinterlassen Sie uns Ihre Meinung.
Mir gefällt, dass jemand, hier konkret Architekt Hans Strebel, in grossen Bögen denkt und eine Gesamtschau wagt. Grosszüge Grün- und Erholungszonen erhalten geht nur, wenn anderswo verdichtet wird.
Für Uetikon wünsche ich mir, dass alle am Diskussions- und Planungsprozess Beteiligten ‚lueged, wohi dass me chiem, we me gieng.‘
Ein meines Erachtens sehr gelungenes Beispiel für eine verdichtete Wohn- und Gewerbe-siedlung ist die Blockrandüberbauung der Genossenschaft Kalkbreite im Zürcher Kreis 4.
Brigitte Gloor