Neue Ungereimtheiten in der Begründung für die Überschüttung der Schadstoffe im Zürichsee
Am 24.8. haben die Rekurrierenden Parteien eine umfangreiche Rekursantwort von Kanton und CU erhalten, und daraufhin am 12.9 fristgerecht eine detaillierte Replik eingereicht. Dazu wurden zusätzliche Dokumente des AWEL, BAFU und Untersuchungsberichte zusammengefasst und den Informationen aus der Rekursantwort gegenübergestellt. Dabei zeigt sich, dass immer mehr Widersprüche auftauchen in der Begründung der Projektänderung, welche die Schwermetall-ablagerungen aus der CU-Produktion für immer im See belassen will.
Aufgrund all dieser Ungereimtheiten fordert die Lobby mit der Replik eine unabhängige Beurteilung durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Die wichtigsten Ungereimtheiten und Widersprüche zwischen den Argumenten AWEL und den zusammengetragenen Fakten in unserer Replik sind hier zusammengefasst. Die vollständige Replik ist am Ende des Eintrags abrufbar.
1. Es gibt einen vertikalen Gradienten der Schadstoffe
Argument AWEL: Es gibt keinen vertikalen Gradienten, unter den oberflächennahen Schichten reichen gleich stark belastete Schichten «vergleichbarer Qualität» bis auf 7 m (total 29’000 m3), deshalb ist eine Sanierung der ersten 1 – 2 m nicht zielführend. In der Rekursantwort relativiert das AWEL seine Aussage jetzt allerdings, und betont, dass die Schadstoffe «heterogen verteilt sind» – und man die genaue Belastung deshalb gar nicht vernünftig untersuchen könne.
Recherche Replik: Die Lobby hat alle Bohrkernanalysen des Kantons ausgewertet. Ein starker vertikaler Gradient zeigt, dass die Produktionsabfälle nahe der Oberfläche liegen, und eine oberflächennahe Sanierung einen Grossteil des Bleis entfernen würde (Abb 1a). Das bestätigt auch die Schlussfolgerung der Firma Marti, die in ihrem Bericht explizit festhielt: «Mit zunehmender Sedimenttiefe nehmen die Schadstoffkonzentrationen ab.» (Abb 2b). Für Arsen und Cadmium verhält es sich ähnlich.
Schlussfolgerung: Eine oberflächennahe Sanierung wie ursprünglich geplant würde den grössten Teil der Schadstoffe entfernen.

Abbildung 1a Bleikonzentrationen in den Bohrkernen des Kantons: Das Blei liegt hauptsächlich in den ersten 2 m, auf 3 – 7 m gibt es keine nennenswerten Belastungen. (Horizontale Achse – Bleikonzentration im Sediment, vertikale Achse: Bohrtiefe)

Abbildung 1b. Bleikonzentrationen in den älteren Untersuchungen: Hohe Konzentrationen (bis 15 kg / m3) liegen nahe der Oberfläche
2. Eine Auswaschung der Schadstoffe ist möglich
Argument AWEL: «Die Schadstoffe sind schwer löslich und haften am Feinkorn an, ein relevanter Schadstofftransport über das Seewasser ist nicht möglich.»
Recherche Replik: Kantonale Dokumente zeigen, dass Grundwasserströmungen vom Berg Richtung See bekannt sind und eine partielle Löslichkeit der Schadstoffe ins Seewasser wurde mittels Diffusionsversuchen gemessen. Zudem hielt der Kanton in der Wettbewerbsausschreibung fest: «Der Untergrund in der gesättigten Zone [unter dem Seespiegel] muss nicht ausgetauscht werden, chemische Belastungen dürften schon ausgeschwemmt sein.» Somit geht das AWEL von Auswaschungsprozessen aus (und verlangt von der Gemeinde eine Versiegelung des Oberbodens im Seeuferpark).
Schlussfolgerung: Eine durchlässige Abdeckung mit lockerem Kies kann die langfristige Auswaschung nicht verhindern.
3. Die ursprünglich geplante Sanierung würde belastete Schichten nicht dauerhaft an die Oberfläche bringen
Argument AWEL: Sanierung gemäss dem ursprünglichen Projekt bis auf 1.5 m würde verschmutze, tiefere Schichten dauerhaft an die Oberfläche bringen und das Gewässer stärker schädigen als bei einer Schüttung. Diese Gefährdung wurde immer als Hauptgrund für die Projektänderung angeführt.
Recherche Replik: In der Rekursantwort schreibt der Kanton jetzt, dass auch beim ursprünglichen Projekt mit einem Abtrag bis 1.5 m ein Materialersatz und somit eine Überschüttung der freigelegten Sedimente vorgesehen war.
Schlussfolgerung: Das ursprüngliche Projekt hätte ebenfalls eine saubere Oberfläche geschaffen – und somit ist das Hauptargument für die Projektänderung hinfällig.
4. Schutz des Trinkwasserreservoir Zürichsee war ursprünglich ein Sanierungsziel
Argument AWEL: «Die Sanierung ist notwendig aufgrund der grossen Gefährdung für die Gewässerökologie und nicht für den See als Trinkwasserreservoir. Schutz des Trinkwasserreservoirs Zürichsee war nie Ziel der Sanierung.»
Recherche Replik: Eine Reihe klarer Aussagen des AWEL belegen, dass ursprünglich der Schutz des Trinkwasserreservoirs ein wichtiges Ziel war. In einem Dokument von 2020 steht: «Ziel der Sanierung ist die Beseitigung der grossen Gefährdung, welche für die aquatische Umwelt (Gewässerökologie) sowie für das Schutzgut Oberflächengewässer (Trinkwasserreservoir) besteht …». Die Projektleitung hielt bei Präsentation in Uetikon fest: «Diese Stoffe haben nichts im Trinkwasserreservoir verloren»
Schlussfolgerung: Mit der Projektänderung wurde kurzerhand die Zielsetzung umdefiniert. Entfernung einer grossen Gefährdung des Trinkwasserreservoirs war ursprünglich als Ziel definiert.
5. Eine Schüttung in 10 m Wassertiefe kann nicht als eine Flachwasserzone bezeichnet werden
Argument AWEL: Die Schüttung schafft eine Flachwasserzone und ist somit eine ökologische Aufwertung
Recherche Replik: BAFU-Vollzugshilfe «Revitalisierung Seeufer – Strategische Planung» zeigt, dass eine Flachwasserzone vom Ufer bis in ca. 4 m Tiefe reicht (Abbildung 2a)

Abbildung 2a. Definition Flachwasser BAFU
Die geplante Seeschüttung erfolgt aber in einem Bereich mit Wassertiefen zwischen ca. 5 und 15 m (Abbildung 2b). Der vorgesehene Bereich liegt damit deutlich ausserhalb des vom BAFU für Flachwasserzonen definierten Tiefenbereichs von 4 m. Zudem ist der Bereich steil abfallend und nicht flach….

Abbildung 2b. Profil der geplanten Seeuferschüttung: Sie liegt im steilen Seeufer unter dem Flachwasserbereich.
Schlussfolgerung: Das Argument «ökologische Aufwertung durch Flachwasserzone» ist ein nicht zulässiger Vorwand um eine Altlasten-Ûberschüttung zu rechtfertigen.
6. Eine permanente Überschüttung von Schwermetallen als Sanierungsmassnahme ist nicht erlaubt
Argument AWEL: Die Überschüttung von Schwermetallen ist erlaubt, wenn damit ein grosses Risiko vermieden wird. Als Risiko wird Stabilität Ufermauer bei 7 m tiefem Abtrag angeführt.
Recherche Replik: Das BAFU hat in der Vollzugshilfe «Belastete Standorte und Oberflächengewässer» explizit mit Bezug auf belastete Standorte in einem Gewässer festgehalten, dass eine «Überdeckung (im Sinne einer Sicherung der belasteten Sedimente durch aktives Überschütten) nicht zulässig» ist.
Schlussfolgerung: Ein Abtrag auf 7 m ist nicht notwendig (siehe Punkt 1) und es gibt deshalb auch keinen Grund für eine Ausnahmebewilligung, welche die BAFU Regeln für Sanierungen im See verletzt.
7. Die Diskussion um eine Projektänderung wurde ursprünglich durch mögliche technische Probleme ausgelöst.
Argument AWEL: Das AWEL schreibt: «Fest steht, dass keine technischen Probleme vorlagen, welche den ursprünglich geplanten Abtrag verunmöglicht hätten»
Recherche Replik: Dokumente der Firma Marti zeigen, dass die zusätzlichen Untersuchungen gestartet wurden, da man harte Schichten entdeckt hatte, die eine Anpassung der Sanierungstechniken notwendig machen könnten. So schreibt jetzt auch die CU: «Bei der Ausführung hat sich gezeigt, dass unerwartete technische Schwierigkeiten […] eine teilweise Anpassung der Sanierung erforderlich machen».
Schlussfolgerung: Wenn die eigentliche Problematik ein technisches Problem ist, so muss endlich abgeklärt werden welche technischen Massnahmen notwendig sind und wer sie bezahlt. Scheinargumente und geänderte Sanierungsziele können keine technischen Probleme lösen.
8. In Ufernähe liegt die höchste Belastung mit radioaktivem Material
Argument AWEL: Das AWEL schreibt: «Während der bisherigen Sanierungsdauer wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Auch für die verbleibende Fläche wird nicht mit erhöhter Strahlung gerechnet»
Recherche Replik: Kantonale Karten und Messresultate zeigen, dass nur in der Nähe des Ufers Uran (bis >150 mg/kg) gefunden wurde. Die Firma Marti schrieb denn auch «Dementsprechend würde [bei Projektänderung] ein wesentlicher Teil der Sedimente, die gemäss Voruntersuchung über der NORM-Befreiungsgrenze lagen [mit Radioaktivität belastetes Material, das speziell behandelt werden muss], mit «Kies» überdeckt auf dem Seegrund bleiben.»
Schlussfolgerung: Messungen des Kantons zeigen, dass relevante Uranbelastungen im See liegen (Abb. 3) – die Behauptung, dass im Uferbereich kein Sediment mit erhöhter Strahlung zu erwarten ist, wird von den Daten nicht gestützt.

Wow, das ist eine selten klare Darstellung der Widersprüche dieser Projektänderung. Eigentlich müsste der Kanton und das AWEL streng und im öffentlichen Interesse kontrollieren, dass kein Gift in die Natur und ins Trinkwasser gelangen, doch hier wollen sie aktiv verdecken und die Lobby muss die Aufsicht machen. Eine verkehrte Welt. Ebenso verkehrt ist, dass der Kanton bei der Gemeinde eine Bewilligung beantragt, wo doch die Gemeinde keine Fachkompentenz zur Beurteilung der Materie hat. Eigentlich müsste der Kanton den Bund, das BAFU fragen, nicht die Baukommission einer Seegemeinde.