Zusätzliche Untersuchungen des Uetiker Seegrunds: Zusammenfassung der Resultate und Interpretation Lobby für Uetikon

Dem Rekurs gegen die Abänderung der ursprünglich geplanten vollständigen Sanierung durch Abtragung hat das Baurekursgericht Recht gegeben. Das Gerichtsurteil vom Oktober 2024 hielt fest, dass die Altlast im Uetiker Seegrund nicht hinreichend untersucht war, um einen Variantenentscheid zu fällen und ordnete weitere Untersuchungen an.  Am 2. Juli 2025 hat der Kanton diese publiziert: Sie zeigen ein detailliertes Bild der chemischen Schadstoffbelastungen. Die hohe Auflösung mit Bohrkernen und die Tatsache, dass zusätzliche Bohrungen und Sedimentproben entnommen wurden – mehr als ursprünglich geplant – ist positiv hervorzuheben. Dieses detaillierte Bild wird helfen, dass eine nachhaltige Sanierug des Uetiker Seeufers in naher Zukunft Realität werden kann.  

Die zusätzlichen Untersuchungen zeigen eindeutig, dass die vom AWEL vermuteten zusätzlichen Belastungen von 29’000 m3, die der Bewilligung für die Projektänderung zugrundelagen, (zum Glück!) eine massive Überschätzung waren. Die Variantenstudie sollte deshalb von unabhängigen Experten, die in früheren Entscheiden nicht involviert waren, begleitet werden, um der veränderten Situation Rechnung zu tragen.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Im östlichen Teil des Areals konzentrieren sich die Schadstoffe auf die oberste Schicht (< 1m). Für diese ca. 60% der Fläche ist die Vermutung definitiv widerlegt, dass eine oberflächige Sanierung („Absaugen“) wegen tiefreichender Schadstoffe nicht zielführend sei..
  • Im westlichen Bereich reichen die höchsten Konzentrationen giftiger Schadstoffe in den meisten Proben bis maximal 3.5 m. Eine durchgehend hohe Belastung bis in 7 m Tiefe, wie bei Ankündigung der Projektänderung 2023 vermutet, liegt also auch im westlichen Teil nicht vor.
  • Die Belastungen im Tiefenbereich 2 – 4 m sind grossmehrheitlich unmittelbar neben dem Blockwurf nahe am Ufer festgestellt worden. Somit konzentrieren sich die tiefer reichenden Belastungen auch im westlichen Bereich auf eine sehr kleine Fläche.
  • Die weitaus höchsten Schadstoffkonzentrationen liegen überall in den obersten 50 cm. Sie liegen in einem schlammartigen Material, das sich bei Belastung verflüssigt und nicht für die Überschüttung mit Kies geeignet ist.
  • Diese stärksten Belastungen nahe der Oberfläche gelten auch für die Radionuklide – soweit das aus den begrenzten Anzahl Proben abgeleitet werden kann.
  • Somit zeigt sich ein völlig anderes Bild, als jenes, das  der gestoppten Projektänderung zugrunde lag.
  • Das sind gute News: Es gibt zwar sehr lokal noch tiefer reichende Belastungen als ursprünglich bekannt – das Ausmass ist aber viel kleiner als vom Kanton 2023 angenommen, und das Seeufer ist somit weniger belastet, als spekuliert worden war!
  • Es ist deshalb wichtig, dass die Variantenstudie die Situation völlig ergebnisoffen beurteilt, da es eindeutig nicht zwischen entweder «Aushub bis auf 7m mit Destabilisieren der Ufermauer» oder «die ganze Fläche mit 30’000 m3 Kies überdecken» zu entscheiden gilt.

Detaillierte Diskussion der Ergebnisse:

Zuerst sind zwei Dinge anzumerken:

  1. Der Bericht legt alle detaillierten Daten vor. Im Text werden die quantitative Daten aber hauptsächlich auf eine binäre Einteilung in «> 10xPEC», «< 10xPEC» reduziert. 1 x PEC ist die Konzentration, bei der Effekte auf Wasserorganismen erwartet werden – 10xPEC ist ein zufällig gewählter regulatorischer Wert, für die Organismen ist 9xPEC natürlich ähnlich toxisch wie 11xPEC…. 100xPEC ist hingegen definitiv nicht gleich wie 10xPEC! Die «10xPEC-Vereinfachung» ist nützlich – aber nicht vollständig. Es ist wichtig, auch die absoluten Konzentrationen anzuschauen, dies klammert die Diskussion im Bericht vollständig aus. (Siehe weiter unten insbesondere die Bemerkungen über die sehr hohen Belastungen in den obersten 50 cm !!!)
  2. Der Bericht macht eine Gleichsetzung, indem nur die Toxizität für Wasserorganismen angeschaut wird. «10xPEC Arsen» ist in dieser Sichtweise gleich wie «10xPEC Kupfer» oder «10xPEC Zink». In der Tat ist Kupfer für viele Organismen toxisch, jedoch sind Kupfer und Zink gleichzeitig auch lebenswichtige Spurenelemente. Deshalb sind tiefliegende, im See verbleibende Kupfer- und Zinkrückstände  anders zu beurteilen als die hochtoxischen Elemente Blei, Arsen, Uran, Radium und Kadmium, die wir unseren Nachkommen überlassen. Hier ist eine Differenzierung essentiell!!

Belastung im östlichen Bereich:

Im östlichen Bereich (ca. 60 % der Fläche) finden sich in über 75 % der Proben in den obersten Schichten (0 – 1 m) 10xPEC Werte. Für Blei und Kadmium sind in den obersten 50 cm sehr hohe Belastungen vorhanden (bis zu 40 – 100xPEC, Abb. 1).

Im Tiefenbereich 1 – 3 m überschreiten nur 2 von 23 (9%) der Proben den 10 x PEC Wert, und die Werte sind deutlich unter den hohen Belastungen an der Oberfläche (Abb. 2) . Zudem reichen diese gemessenen zwei Belastungen nicht bis auf 3 m sondern nur auf 1.15 – 1.4 m, sind also auch noch relativ nahe an der Oberfläche.

Die Karte der Belastungen zeigt nur zwei stark kontaminierte Punkte (mit > 10xPEC) in über 3 m Tiefe , die am Ufer unmittelbar neben dem Blockwurf liegen, und nur bei einem handelt es sich um Schwermetallbelastungen (Abb 3.).

Zusammengefasst sind im östlichen Bereich auf ca. 60% der nicht sanierten Fläche hohe bis sehr hohe Belastungen nahe der Oberfläche, die in weiterer Entfernung zum Ufer nur an einem Messpunkt bis auf 1.4 m Tiefe reichen – einzelne, tiefer reichende Belastungen finden sich ausschliesslich direkt neben dem Blockwurf am Ufer. Die sehr hohen Belastungen in den obersten 50 cm sind bemerkenswert und beim Entscheid ‘Sichern’ vs. ‘Entfernen’ besonders zu berücksichtigen.

Abb. 1: Bereich Ost: Belastungen in den obersten 0 – 100 cm. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. Sehr hoch belastete Stellen mit über 40 x PEC für Blei (Pb) und Kadmium (Cd) sind speziell markiert.

Abb. 2: Bereich Ost: Belastungen im Bereich 1 – 3 m Tiefe. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. Stellen mit über 10xPEC für Blei (Pb) und Kadmium (Cd) sind speziell markiert. Tiefen und PEC Überschreitung für alle Stellen mit über 10 x PEC hinzugefügt

Abb. 3: Bereich Ost: Belastungen im Bereich 1 – 3 m Tiefe. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. PAK = polyaromatische Kohlenwasserstoffe. Dieser Wert ist der einzige PAK-Wert der Messkampagne der knapp den 10x PEC Wert überschreitet. PAK sind langfristig biologisch abbaubar, im Gegensatz zu den Schwermetallen, auch ist der PAK Werte gerade an der 10x PEC Grenze. Tiefen und PEC Überschreitung für alle Stellen mit über 10 x PEC hinzugefügt

Belastung im westlichen Bereich:

Im westlichen Bereich finden sich mit zwei Ausnahmen in allen oberflächennahen Proben Belastungen von über 10xPEC. Sehr hohe Belastungen mit 40 – 400xPEC (!!) wurden auch hier in den obersten 50 cm, zum Teil in den obersten 16 cm gefunden (Abbildung 4). Diese oberflächennahen, sehr hohen Belastungen finden sich insbesondere in den vom Ufer entfernten Bereichen und stammen eindeutig von den in den See eingeleiteten Abwässern. Sie liegen in mechanisch unstabilem Schlamm, der vermutlich einfach zu entfernen ist.

Im Tiefenbereich 1 – 3 m finden sich im Abstand von 20 m vom Blockwurf vereinzelt Stellen mit Belastungen bis in 1.8 m Tiefe. (Abb. 5 und 6). Nur im Bereich Profil 9 – 13 reichen sie bis auf 2.5 – 3.4 m. Dieser Bereich wurde schon früher als besonders stark belastet identifiziert, er umfasst einen sehr kleinen Teil des gesamten Sanierungsperimeters. Direkt neben dem Blockwurf reichen die Belastungen mit Blei, Kadmium oder Arsen an drei Stellen bis auf 3.4 – 4.1 m, nirgends aber auf die vermuteten 7 m.

Abb. 4: Bereich West: Belastungen in den obersten 0 – 100 cm. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. Sehr hoch belastete Stellen mit über 40 x PEC für Blei (Pb) und Kadmium (Cd) sind speziell markiert, ebenfalls die Probe mit den höchsten Radium und Uran-Werten.

Abb. 5: Bereich Ost: Belastungen im Bereich 1 – 3 m Tiefe. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. Tiefen der tiefstliegenden 10xPEC Überschreitung und PEC Überschreitung für alle Stellen mit über 10 x PEC hinzugefügt

Abb. 6: Bereich West: Belastungen im Bereich >3 m Tiefe. Rot sind Stellen mit über 10 x PEC. Tiefen und PEC Überschreitung für alle Stellen mit über 10 x PEC hinzugefügt

Belastung mit Radionukliden:

Die Belastung mit Radionukliden wurde nicht engmaschig untersucht. Zudem wurde, zusätzlich zum vom PSI gemieteten, bestens geeigneten Messgerät durch die beauftragte ROTACS GmbH ein absolut ungeeignetes Dosimeter eingesetzt. So konnten radioaktive Stellen der Bohrkerne nicht sicher entdeckt werden. Dies wäre aber der eigentliche Auftrag der Messungen auf dem Ponton gewesen!

Trotzdem zeigt sich ein ähnliches Bild wie für die toxischen Schwermetalle: Die grössten Belastungen liegen oberflächennah im westlichen Areal, mit der maximalen Belastung von 1300 Bq/kg Radium 226 und 9100 Bq/kg Uran 238 im Bohrkern 4 (Abb 4). Eine Entfernung der oberflächennahen Schichten würde also auch diese Belastungen entfernen. Zudem hält der Bericht fest, dass Feststoffaktivitäts-Höchstwerte (sogenannte Richtwerte für eine Deponierung) nicht überschreiten – somit stellt sich kein unlösbares Entsorgungsproblem, wenn diese Stoffe aus dem See entfernt würden.

Nebst der ungenügenden Genauigkeit der Triagemessungen an den Bohrkernen und dem weitmaschigen Beprobungsraster, lassen die Interpretationen zu den Radionukliden noch in anderen Punkten aufhorchen:

  • Der Bericht schreibt für die Belastungen mit den Radionukliden: «Da alle gemessenen Uran- und Radium-Aktivitäten deutlich unter den massgeblichen Feststoffaktivitätshöchstwerten gemäss Anhang 5.4 der Wegleitung «Entsorgung von Abfällen, die natürlich vorkommende radioaktive Stoffe (NORM) enthalten» V1.2 vom 27.06.2024 liegen, sind gemäss BAG bezüglich Radionukliden im bestehenden Zustand keine Massnahmen notwendig.» Das zitierte BAG Dokument beschreibt, welche Zusatzmassnahmen bei der Deponierung über den massgeblichen Feststoffaktivitätshöchstwerten ergriffen werden müssen (Mobilitätstests) – in unseren Augen sagt dieses Dokument nichts darüber, dass keine Massnahmen im Istzustand des Materials im Zürichsee zu treffen sind. Das BAG mag das in anderem Zusammenhang kommuniziert haben – es erschliesst sich uns nicht aus diesem Dokument.
  • Für die Deponierung wird neu ein Feststoffaktivitäts-Höchstwert 15’000 Bq/kg in den Bericht eingeführt, gegenüber der früher herangezogenen NORM-Befreiungsgrenze bei 1000 Bq/kg. Für Radium soll neu ein Feststoffaktivitäts-Höchstwert von 10’000Bq/kg angewendet werden.
  • Die neu herbeigezogene Wegleitung hält noch etwas Anderes fest: „…die NORM-Befreiungsgrenzen gelten für natürlich vorkommende Radionuklide in Feststoffen, die sich ganz oder teilweise im säkularen Gleichgewicht mit ihren Tochternukliden befinden.“  Den rezenten (und auch allen früheren) gamma-spektrometrischen Analysen der Altlast ist klar zu entnehmen, dass die Umwandlungsprodukte der Uranzerfallsreihe eben nicht im Gleichgewicht vorliegen, und somit nicht NORM im eigentlichen Sinn sind.   

Schlussfolgerungen und Ausblick:

Die neuen Untersuchungen präsentieren eine vollständig andere Ausgangslage, als dass sie vom AWEL beim letzten Variantenentscheid (aufgrund fehlender Messdaten) vermutet wurde. Deshalb ist eine ergebnisoffene Variantenstudie zur Sanierung durchzuführen, die von Experten begleitet wird, die in keinerlei Weise in den früheren Entscheiden involviert waren.

Eine vertiefte Analyse der Daten zeigt, das für den Sanierungsperimeter ein detailiertes Bild gezeichnet werden kann:

  • Die höchsten Belastungen finden sich sehr oberflächennah im Material. Somit ist die Behauptung des AWEL während den Rekursverhandlungen, dass kein vertikaler Gradient vorliege, widerlegt.
  • Im Westen liegen die höchsten Belastungen in sich leicht verflüssigendem Sediment vor, das sich bei Überschüttung mit Kies mit dem Schüttmaterial vermischen könnte.
  • Die maximalen Belastungstiefen mit toxischen Schwermetallen liegen direkt neben dem Blockwurf. Sie liegen weit oberflächennäher, als die vermuteten 7 m Tiefe. Bereits im ursprünglichen Sanierungskonzept wäre nach Entfernung von 1.5 m Sediment hier eine lokale Schüttung vorgenommen worden. Während diese hauptsächlich aus Stabilitätsgründen geplant war, würde sie auch das Freisetzungspotential der darunterliegenden tieferen Restbelastungen reduzieren.
  • Im östlichen Bereich (ca. 60% der Fläche) liegen die grossen Belastungen fast ausschliesslich nahe der Oberfläche, und das ursprüngliche Sanierungskonzept mit leichten Anpassungen des Abtragungskörpers würde diese vermutlich hinreichend sanieren.
  • Im westlichen Bereich gibt es einen kleinen Bereich, bei dem der ursprüngliche Sanierungskörper vermutlich vergrössert werden muss[1]. Aber auch hier sind die höchsten Belastungen oberflächennah.
  • Das AWEL hat auf die kritischen Fragen der Uetiker Baukommission[2] nach alternativen Sanierungsmöglichkeiten geantwortet: «[..], dass davon ausgegangen werden muss, dass unter der ursprünglich vorgesehenen Abtragschicht (rund 9800 m3 unterschiedlich verschmutztes Auffüllungsmaterial) noch rund 29’000 m3 Material von vergleichbarer Qualität im Seegrund verbleiben würde».
    Die zusätzlichen Untersuchungen zeigen jedoch eindeutig, dass diese vermuteten zusätzlichen Belastungen von 29’000 m3 mit vergleichbarer Qualität wie an der Oberfläche, die der Bewilligung für die Projektänderung zugrundelagen, (zum Glück!) eine massive Überschätzung waren und dass sich die Ausgangslage jetzt vollständig anders darstellt.
  • Das Baurekursgericht hielt im Urteil fest, dass neben den bisher untersuchten Varianten je nach Ergebnis der ergänzenden Sachverhaltsabklärungen auch weitere Varianten denkbar sind. So könnte gegebenenfalls eine Abschnittsbildung (mit teilweiser Totaldekontamination und teilweiser Sicherung) geprüft werden.
  • Die ergänzenden Untersuchungen zeigen nun ganz klar, dass der Sanierungsperimeter tatsächlich in Abschnitten beurteilt werden muss.
  • Das Gericht hielt weiter fest: «Würde festgestellt, dass sich die zur Sanierungsbedürftigkeit führenden Schadstoffkonzentrationen grundsätzlich auf obere Tiefenbereiche beschränken, ohne dass für die unteren Tiefenbereiche eine Überschreitung der massgeblichen Grenzwerte mit Sicherheit vollständig ausgeschlossen werden könnte, wäre auch die Variante einer Dekontamination mit anschliessender Schüttung zu evaluieren.
  • Die Untersuchungen zeigen, dass sich die höchsten Schadstoffkonzentrationen in der Tat oft auf die obersten Schichten beschränken.
  • Das Gericht hielt fest, dass beim neuen Variantenentscheid verschiedenen Kriterien Rechnung zu tragen sei, namentlich
    • den mit einer Schüttung verbundenen, beim angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigen Risiken
    • der Tatsache, dass die Sicherungsvariante eine Abweichung von den BAFU-Vollzugshilfen darstellt.
    • dass die durch den flachen Schüttungswinkel viel grössere Überschüttung  kritisch geprüft werden müsste.

Die neue Variantenstudie sollte all das berücksichtigen, unter Einbezug der detaillierten Untersuchungsergebnisse. Vereinfachende Interpretationen, «dass sich alles so bestätigt hat, wie vermutet», sind sicher nicht zielführend!


[1] In diesem Bereich sieht das Seeuferparkkonzept eine grosse Treppe statt Ufermauer vor. Zudem würde eine Flachwasserzone geschaffen, die von einer Mauer im Seegrund gestützt wird. Diese umfangreichen ingenieurtechnischen Eingriffe in den Seegrund können mit der Dekontamination kombiniert werden, und die Frage der Stabilität der Ufermauer ist in diesem Bereich wenig relevant.

[2] 3. Mai 2023; bevor Erteilung Bewilligung

2 Kommentare

  1. Die zusätzlichen Untersuchungen des Seegrundes lassen betreffs Radium und Uran viele Fragen offen…Teil 2

    Zu den Messungen am PSI:

    Das PSI-Labor geniesst hohe Glaubwürdigkeit; es kann aber Fehler des Auftraggebers nicht ungeschehen machen: Das Probenmaterial wurde so gemessen wie es angeliefert wurde, nämlich umgehend, und ohne das Einstellen des Gleichgewichtes innerhalb der Uranzerfallskette (im speziellen nach dem Radon) abzuwarten. 

    Eine praktische Messvorschrift zum Bestimmen des Radiumgehaltes via Radonzerfallsprodukte besagt, dass die Probe vor dem Messen mindestens 20 Tage luftdicht abgeschlossen gelagert werden muss. Erst dann wird gemessen. 

    Wenn man diese Regel nicht einhält, erhält man zu tiefe Radium-Werte! 

    Der gegenwärtige Strahlenschutz- Experte erklärte, warum er mindestens 48 Stunden nach den Messungen auf dem Ponton seine Zweitmessungen machte: „Die Wartezeit von mindestens 48 Stunden nach Entnahme des Bohrkerns wurde gewählt, um auszuschliessen, dass eine erhöhte Dosisleistung vom Radon ausgeht, welches sich im feuchten Bohrkern angesammelt hat.“ Es ist rätselhaft wie er zu diesem gelinde gesagt unkonventionellen Vorgehen kam.

    Ein Nachtrag zum Messgerät welches für die Zweitmessungen verwendet wurde: Kommentar von Dr. Surbeck, dem vormaligen Strahlenschutz-Experten für das AWEL: „Ich bin 100 % mit Dir einverstanden, Marco, dass der RadEye B20 für diese Anwendung völlig nutzlos ist. Was es dafür mindestens braucht ist etwas, das der Countrate eines 1″ x 1″ NaI entspricht. Das Alles habe ich immer wieder meinen Kunden erklärt, ob sie es wissen wollten oder nicht.“

    Abschliessend noch zu NORM (Naturally Occurring Radioactive Material)

    Dr.Surbeck erklärte 2014, angesichts der neuen Strahlenschutzverordnung welche 2018 grosszügige sogenannte NORM-Befreiungsgrenzen zugunsten der Industrie einführen würde: 

    „Noch nicht klar ist, ob auch für Material das mit Abfällen aus der Phosphatdünger- Produktion kontaminiert ist, die Freigrenzen nach Art. 3bis gelten werden. Die Praxis wird zeigen, ob die Behörden diese Materialien ebenfalls als natürlicherweise radioaktives Material, dessen Nuklidzusammensetzung nicht durch industrielle Prozesse verändert wurde” betrachten. Da das Uran und seine Tochterprodukte nicht absichtlich extrahiert wurden und die Isotopen-Zusammensetzungen der Elemente nicht verändert wurden sollte das der Fall sein.“  (Täterperspektive)

    Aus Opferperspektive kann ja nicht ernsthaft ein Unterschied gemacht werden, ob die massiven radioaktiven Verschmutzungen des CU-Areals absichtlich oder unabsichtlich entstanden sind. 

    Die Strahlenschutzverordnung nennt noch ein zusätzliches Kriterium für NORM, welches erfüllt sein muss: 

    Die Zerfalls- oder Umwandlungs- produkte des Urans müssen im Gleichgewicht vorliegen. 

    Dieses Kriterium wird von „unseren“ Ämtern geflissentlich übergangen! 

    Ein Gleichgewicht von allen Umwandlungsprodukten in der Zerfallsreihe ist zin einem alten Stück Uranerz (Museum, Sammlung) zu finden, bevor es zB gemahlen und in Säure aufgelöst wird.

    Dieses Gleichgewicht ist in unserem Fall nicht mehr gegeben : 

    Mir liegen 48 amtliche Analysen von Material aus dem Seegrund oder vom Fabrikareal vor. Bei diesen kann die spezifische Aktivität von Radium und Uran verglichen werden. Das Verhältnis Radium zu Uran liegt im Bereich zwischen 0,01 und 3,13. 

    Mit anderen Worten: Die Radium-Aktivität übersteigt diejenige von Uran bis zu dreifach oder ist nur zu einem Hundertstel der Uranaktivität in Proben vorhanden. Das kann man als Anreicherung oder Abreicherung bezeichnen; die industriefreundliche Auslegung der Strahlenschutzverordnung wäre somit nicht gesetzeskonform.

    Bisher bekanntes Uran-Maximum am Seegrund: 9100Bq/kg. Radium-Maximum: 1300Bq/kg. 

    Natürliche Konzentrationen in Sedimenten ausserhalb des CU-Areals: Rund 12 Bq/kg Uran und Radium, immer im Gleichgewicht, weil sie durch geologische Prozesse dorthin gelangt sind.

    Erst wenn der „Feststoff-Aktivitätshöchstwert“ überschritten wird, entsteht neuerdings Handlungsbedarf. 

    Wurde bisher als Kriterium zum Sanieren des radioaktiven Teils der Altlast die sogenannte NORM-Befreiungsgrenze von 1000 Bq/kg angewandt, erscheint nun ein neuer Begriff: der sogenannte Feststoff-Aktivitätshöchstwert welcher 10x (Radium) bzw 15x (Uran) höher angelegt ist als die bisherige NORM-Freigrenze.

    Pikant: nach einer neuen Wegleitung des BAG ist diese neue obere tolerierbare Grenze gleich hoch wie für Kalium-40, ein natürliches radioaktives Isotop des essentiellen Elementes Kalium. Da wir einerseits Kalium brauchen, andererseits inkorporierte Strahler schädlich sind, hat die Evolution eine geniale Lösung gefunden: Kalium ist im menschlichen Körper immer in einem sogenannten Homöostatischen Gleichgewicht, dh Kalium welches nicht gebraucht wird, scheidet der Körper aus und bleibt so immer bei der minimalen Belastung. Für kein anderes Radionuklid ist biologisch ein ähnlicher Regelvorgang entwickelt worden.  

    Ich plädiere für ein weitgehendes Absaugen / Abtragen der Altlast.

    Uetikon 21. September 2025       Marco Bähler, Strahlenschutz dipl. Euratom 5B mcbaehler@gmx.ch

    PS: Wurde bisher als Kriterium zum Sanieren des radioaktiven Teils der Altlast die sogenannte NORM-Befreiungsgrenze von 1000 Bq/kg angewandt, erscheint nun im publizierten Bericht (infolge intensiver Nachbearbeitung welche das AWEL nicht offenlegen wollte) ein neuer Bezugswert, der sogenannte FESTSTOFFAKTIVITÄTSHÖCHSTWERT welcher 10x (Radium) bzw 15x (Uran) höher angelegt ist als die bisherige NORM-Freigrenze.

  2. Die zusätzlichen Untersuchungen des Seegrundes lassen betreffs Radium und Uran viele Fragen offen:

    Bereits der Entscheid des Baurekursgerichtes enthielt eine Passage welche aufhorchen liess:

    Es wurden zwar vertiefte Abklärungen gefordert, aber ausgerechnet die zur Erfassung der Radiumvorkommen unerlässliche Gammaspektrometrie wurde ausgeklammert! Radium ist der radioaktive Leit-Schadstoff der Phospatdünger-Industrie.

    Radium sollte nach dem Willen des Gerichtes gar nicht gesucht und dokumentiert werden. 

    Zitat Baurekursgericht:„Zusammenfassend erweist sich somit die im Zusammenhang mit dem Vorliegen radioaktiven Materials erhobene Rüge als unbegründet, wobei auch keine Gründe dafür bestehen, die (…) zusätzlich vorzunehmenden Beprobungen und Analysen auf gamma-spektrometrische Untersuchungen auf bestimmte Radionuklide auszudehnen“

    Die ungewöhnliche gerichtliche Empfehlung des Wegschauens schlug sich nieder im Konzept der zusätzlichen Untersuchungen der Dr. Von Moos: Zum Erstellen von 12 Profilen der Schadstoffverteilung wurden 150 chemische Analysen geplant, welche auch Uran erfassen würden, aber nur 10 spektrometrische Analysen auf Radium und seine radioaktiven Folgeprodukte!

    Pikant: Die Dr.Von Moos erarbeitete bereits 2021 im Dienst der Zeochem den Bericht „Gefährdungsabschätzung Situation August 2021, Auftraggeber: AWEL Kanton Zürich, Zeochem AG, 8630 Rüti,  Altlastensanierung am Seegrund vor Uetikon“. In diesem Bericht fehlt jeder Hinweis auf Radium!

    Planung und Durchführung

    Vielleicht auch aufgrund meiner vehementen Kritik an diesem einseitigen Konzept wurden schliesslich immerhin 24 gammaspektrometrische Analysen durchgeführt. 

    Im Bericht fehlt allerdings Blei 210 welches im Labor routinemässig mit-bestimmt wird und Aufschluss gibt über Radonverfrachtungen und Gleichgewichtszustände in der Uranzerfallsreihe.

    Die zusätzlichen Bohrungen mit kritikwürdigem Konzept wurden vom AWEL verfügt und noch vor Ablauf der Einsprachefrist begonnen! Damit wurde eine durchaus denkbare Mitsprache verhindert und nicht korrigierbare Fakten wurden geschaffen. 

    Zu den Messungen an den Bohrkernen: 

    Es war laut Konzept VonMoos und gemäss Empfehlungen des langjährigen Experten Dr. Surbeck geplant, mit einem empfindlichen Gerät vom PSI die Kerne noch auf dem Ponton auf erhöhte Gammastrahlung (verursacht durch Radium) abzusuchen. 

    Stark strahlende Kerne sollten erkannt, separat gelagert und auffällige Kerne zur Entnahme von Probematerial markiert werden. Die der Kerne sollten später noch ein zweites Mal durch den Strahlenschutz-beauftragten der ROTACS GmbH gemessen werden. 

    Das Messprotokoll (Anhang 7 in dem veröffentlichten Bericht) offenbart schwere Mängel: 

    1) Ohne dokumentierte Untergrundmessungen sind alle folgenden Messungen, sowohl auf dem Ponton als auch an Land, a priori unbrauchbar. Laut ROTACS habe „auf dem Ponton kein stabiler Untergrund existiert“. Das ist erst recht ein Grund, regelmässig den Untergrund zu dokumentieren.

    2) Zwischen jeweils erster und zweiter Messung am selben Kern- Abschnitt ist keine Beziehung ersichtlich. Oft ist die Zweitmessung tiefer, dann wieder ist sie höher…

    Das ist nicht zu erklären und unglaubwürdig: Der Grund wird bei Punkt 4) ersichtlich! 

    Fünf Beispiele, Messwerte in nanoSievert pro Stunde, nSv/h: 

    Kern B34, 1 bis 2 meter, Messung Ponton: 85 bis 95; Messung ROTACS  300

    Kern B34, 2 bis 3 meter, Messung Ponton: 35 bis 90; Messung ROTACS    33

    Kern B5, 1 bis 2 meter, Messung Ponton: 65 bis 110; Messung ROTACS   30

    Kern B5, 7 bis 8 meter, Messung Ponton: 40 bis 60; Messung ROTACS   52

    Kern B24, 3 bis 4 meter, Messung Ponton: 30 bis 40; Messung ROTACS   63

    3) Es ist kein Zusammenhang zwischen den „gemessenen“ Dosisleistungen und den Analysenwerten des PSI ersichtlich! Zwei Beispiele: Am Kern B34 wurden 300 nSv/h gemessen. Das PSI fand dort 810 Bq/kg Radium. Am Kern B2 wurden sehr niedrige 43 nSv/h gemessen, das PSI fand aber einen sehr hohen Gehalt an Radium: 880 Bq/kg Radium. 

    Der höchste Radiumgehalt müsste am Ort der höchsten Dosisleistung zu finden sein! Er findet sich im Rahmen dieser Untersuchungen aber am Kern B4 in rund 50cm Tiefe. Dosisleistung ROTACS: extrem niedrige 30nSv/h. Radiumgehalt laut PSI: 1300Bq/kg. Ein sehr ernster Hinweis auf nicht-fachgemässe Messungen an den Kernen!

    4) Von den rund 230 Zweit-Messungen der Dosisleistung waren über 99% unter 100 nSv/h, das heisst: Mit dem Gerät der ROTACS GmbH gar nicht messbar: 

    Das eingesetzte Thermo RadEye B20 hat laut Datenblatt des Herstellers eine untere Messschwelle von 200 nSv/h. Darunter werden auf dem Display durchaus Zahlen angezeigt, das sind aber keine belastbaren Messwerte. Eine hohe Genauigkeit wird nur vorgetäuscht.

    Bereits MARTI hatte 2021 bei Messungen an Kernen ein untaugliches Billiggerät eingesetzt, den Gammascout. Als ich das dem BAG meldete, antwortete die (immer noch) zuständige Kontaktperson für Bewilligungen und Aufsicht: „Das hätte ich nie toleriert!“

    Trotzdem wurde auch 2025 wieder mit untauglichem Werkzeug „gearbeitet“

    Eine Aufsicht oder Kontrolle amtlicherseits ist nach wie vor nicht ersichtlich!!!

    Kommentar Teil 1 Marco Bähler Strahlenschutz dipl. Euratom 5B  mcbaehler@gmx.ch

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