Medienmitteilung der Lobby für Uetikon vom 10. Juli 2023
Der Gemeinderat Uetikon schreibt in seiner Medienmitteilung vom 3. Juli 2023 zur Seegrundsanierung vor dem ehemaligen Fabrikareal der Chemie Uetikon unter anderem:
«Ein Grossteil der Schadstoffe werde aktuell mit dem Projekt bzw. der Projektänderung entfernt.»
Diese Aussage ist nachweislich falsch: die Dokumente des Kantons zeigen, dass aktuell 70 – 80% der 2021 bekannten Schadstoffe im See bleiben, also nur 20 – 30% entfernt werden. Das Originalprojekt hatte vorgesehen, 99% zu entfernen. Es werden tatsächlich nur 20% der sanierungsbedürftigen Fläche überdeckt, aber genau darunter liegen 80% der Schadstoffe.
Das Blei, Uran, Cadmium, Arsen, Radium und weitere toxische Ablagerungen stammen aus der jahrzehntelangen Säure- und Düngerproduktion der Chemischen Fabrik. Die Schadstoffe sollen nach dem Willen von AWEL und Gemeinde da verbleiben, also endgelagert werden.
Die Vorgaben des Bundesamts für Umwelt zur Sanierung von Schwermetallaltlasten sind eindeutig: In der BAFU-Vollzugshilfe Belastete Standorte und Oberflächengewässer steht auf S. 50: «Eine Überdeckung (im Sinne einer Sicherung der belasteten Sedimente durch «aktives» Überschütten) ist nicht zulässig».
Wir erachten deshalb nur eine vollständige Dekontaminierung der stark schwermetallhaltigen Sedimentschichten als mögliches Sanierungsziel.
Auch die Aussage, dass die Deponie Rotholz vollständig saniert sei, stimmt so nicht. Landseitig ist die Sanierung abgeschlossen, die Altlasten im Seeboden sind jedoch noch nicht vollständig saniert.
Im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung wusste der Gemeinderat seit Januar 2022 vom geplanten Kiesdeckel. Es wäre ein Jahr Zeit geblieben, um eine unabhängige Zweitmeinung zu den Plänen des AWEL einzuholen und zu prüfen, ob diese Lösung wirklich im Interesse unserer Gemeinde ist.
Mit dem Gang vor das Baurekursgericht will die Lobby genau diese unabhängige Überprüfung zur Rechtmässigkeit des Vorgehens vom AWEL erreichen.
10. Juli 2023, Lobby für Uetikon
Valentin Peer Co-Präsident – 043 537 35 88
Geht zur Publikation an (per E-Mail):
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Dokumente (der Medienmittelung nicht beigelegt)
BAFU Vollzugshilfe «Belastete Standorte und Oberflächengewässer», Stand 2020 hier
Am Freitag, 30. Juni wurde der Rekurs der Lobby per Post beim Kantonalen Baurekursgericht eingereicht. Der Rekurs richtet sich primär gegen die Bewilligung der Uetiker Baukommission für die Überschüttung der Schadstoffe im See mit Kies. Er beanstandet unter anderem, dass der Variantenentscheid des AWEL betreffend Seegrundsanierung auf teils unhaltbaren Annahmen und zu wenig Fakten basiert und dass die beantragte Projektänderung sowie das durchgeführte Bewilligungsverfahren rechtlich fragwürdig sind.
Wie bekannt, liegen im Uferbereich des Zürichsees vor der ehemaligen Chemiefabrik in Uetikon giftige und teils radioaktive Betriebsabfälle aus der Düngerproduktion der ehemaligen CU (Chemie Uetikon). Das AWEL (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft) des Kantons Zürich als zuständige Entsorgungsbehörde hat ursprünglich geplant, diese sogenannte Altlast, soweit sie schädlich ist, durch die Firma Marti entsorgen zu lassen. Für die Kosten müssen vertragsgemäss die CU zu 80% und der Kanton Zürich zu 20% aufkommen. Für die Gemeinde Uetikon fallen keine Kosten an. Primär wegen unverhältnismässigen Kosten sieht das AWEL mittlerweile im ufernahen Bereich von dieser Entsorgung ab. Stattdessen sollen die überwiegende Mehrheit der Schadstoffe im See belassen und mit Kies überschüttet werden. Der Zürichsee würde somit zur Endlagerstätte für chemische Abfälle und dies ausgerechnet vor dem geplanten Seepark in Uetikon. Dies gilt es unbedingt zu verhindern.
Baurechtlicher Rekurs gegen untaugliche Kiesschüttung
Wir, die Lobby für Uetikon und eine Gruppe Privatpersonen mit Seebezug haben am vergangenem 27. Februar eine Einsprache gegen die Konzessionsbewilligung für die Kiesschüttung eingereicht (siehe unseren Blogbeitrag vom 19. April mit dem Titel «Hintergrundinformationen zur Seegrundsanierung: Ein Grossteil des Schadstoffpotentials soll im See bleiben»). Wir sind überzeugt, dass die vom AWEL gewählte Variante der Kiesschüttung aufgrund der vorliegenden Daten und Messwerte nicht gerechtfertigt und kaum bewilligungsfähig ist. Trotz unserer Bedenken hat die Baukommission Uetikon, u.a. aufgrund von unhaltbaren Annahmen des AWEL betreffend vertikaler Schadstoffverteilung, am 22. Mai grünes Licht für die Kiesschüttung gegeben. Wir sind überzeugt, dass die in unserem Blogbeitrag vom 19. April aufgeführten Fakten und Forderungen weiterhin zutreffend sind. Sie konnten vom AWEL nicht stichhaltig entkräftet werden. Leider gilt es nun, gegen die Baubewilligung der Gemeinde beim kantonalen Baurekursgericht einen Rekurs einzureichen.
Schadstoffpotential verbleibt im Trinkwasserreservoir Zürichsee
Der Zürichsee ist das grösste Trinkwasserreservoir des Kantons Zürich. Gemäss Angaben der Infrastruktur Zürichsee AG stammt der grösste Teil des Wassers in Uetikon aus dem Zürichsee. Es ist unschwer anzunehmen, dass mit den vermehrt auftretenden Trockenphasen der Anteil Seewasser weiter steigen wird. Es darf nicht sein, dass dieses wichtige Trinkwasserreservoir als Endlager für Chemie-Abfälle dient. Kein Weg führt deshalb daran vorbei, dieses lebenswichtige Gut nachhaltig zu schützen. Nicht eine kostenminimierte Überschüttung führt zu diesem Ziel, sondern nur eine Beseitigung des Gefahrenpotentials durch das Entfernen der auf dem Seegrund befindlichen Schadstoffe.
Radioaktivitäts-Hotspot beim geplanten Badezugang
Ein Leuchtturm des Siegerprojekts zur Gestaltung des neuen Seeuferparks in Uetikon ist der geplante recht grosszügige Badezugang zum See. Doch genau hier befindet sich in Ufernähe die höchste Konzentration an Radium und Uran. Vor allem Radium ist ein sehr radiotoxischer Stoff. In den meisten durchgeführten Untersuchungen wurde mit einfachen chemischen Analysen die Konzentration an Uran, Blei, Arsen etc. ermittelt, nicht aber jene des viel toxischeren Radiums. Radium besitzt mit 1’600 Jahren eine lange Halbwertzeit (Zeitspanne, in welcher sich die Radioaktivität halbiert) und zerfällt zu Radon, ein gefährliches radioaktives Gas.
Ungelöste Hinterlassenschaft
Mit der vom AWEL beantragten Projektänderung sollen die Schadstoffe wie Blei, Arsen, Cadmium, Uran und Radium im ufernahen Bereich belassen und mit einer mindestens 60 cm dicken Kiesschicht überdeckt werden. Dabei wird angenommen, dass keiner der Schadstoffe die Kiesschicht im Laufe der Zeit durchdringt – gemäss der Studie der Sanierungsvarianten zumindest nicht für die nächsten 50 Jahre – und an die Oberfläche des Seegrunds gelangt.
Diese Art von Überschüttung ist bisher einmalig. Das AWEL spricht deshalb von einem Pionierprojekt. Spezifische Erfahrungswerte, besonders jene über eine lange Zeitspanne, liegen nicht vor. Nichtsdestotrotz spricht das AWEL von einer sicheren Sanierungsmethode. Es geht sogar so weit, dass es nach der Fertigstellung der Überschüttung das Gebiet als saniert erklärt, was bedeutet, dass keine regelmässige Überwachung mehr stattfinden wird.
Da im betroffenen Bereich das Ufer im See steil abfällt, besteht die Gefahr von Hangrutschungen. Solche haben bereits seeabwärts des Fabrikstandorts stattgefunden (siehe Abbildung), wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Erdbeben von Basel im Jahre 1356. Dabei besteht die Gefahr, dass die Schadstoffe freigelegt werden, durch Verwirbelungen ins Wasser und schlussendlich in die Nahrungskette von Mensch und Tier gelangen.
Gemäss dem Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich muss man im Schnitt alle 50 bis 150 Jahre mit einem katastrophalen Beben mit einer Magnitude von etwa 6 oder mehr in der Schweiz oder dem grenznahen Ausland rechnen. Ein solches Beben kann überall und jederzeit in der Schweiz auftreten, d.h. auch in der Zürichseeregion.
Kosten verhindern nachhaltige Lösung
Im Auftrag des AWEL wurde von den Firmen CSD Ingenieure AG und Dr. von Moos AG eruiert, welche Sanierungs-Varianten sich anbieten. Das Spektrum reicht von Beseitigung aller Altlasten, unabhängig von ihrer Gefährdung bis zur einfachen Überschüttung des Grossteils des Altlastgebiets.
Die Beseitigung aller Altlasten unabhängig von ihrer Gefährdung (Variante A) wurde durch die Fachexperten zwar untersucht, aber nicht weiterverfolgt, da angeblich eine solche Totalsanierung altlastenrechtlich nicht erforderlich ist. Die Lobby hat leider keinen Einblick in die diesbezüglichen Unterlagen erhalten.
Eine weitere umfassende Variant (Variante F) beinhaltet die Beseitigung aller Altlasten, welche ein vorgegebenes Gefährdungspotential überschreiten. Die damit veranschlagten Sanierungskosten belaufen sich auf rund 69 Mio Franken mit einer Unsicherheit von +/- 30%. Diese Variante wäre sicherlich, abgesehen von der Variante A, erstrebenswert. Das AWEL aber verwirft diese, mit der Begründung, die Risiken und vor allem die Kosten seien unverhältnismässig hoch. Als Risiko sieht sie die Einsturzgefahr der instabilen Ufermauer. Dabei geht sie davon aus, dass seeseitig unmittelbar vor der Mauer bzw. dem Blockwurf bis zu 7 m tief belastetes Material ausgehoben werden muss. Neuste Laboranalysen zeigen aber auf, dass ein solch tiefer Aushub gar nicht notwendig ist, da die tiefergelegenen Schichten deutlich weniger belastet sind.
Die vom AWEL ursprünglich gewählte und an Marti in Auftrag gegebene Sanierungsvariante (Variante B) beinhaltete das Absaugen der obersten 1.5 Meter dicken, mit Schadstoffen belasteten Sedimentschicht im ganzen Altlastbereich. Diese Variante wird mit Kosten von CHF rund 16 Mio (+/- 5%) veranschlagt, ist also deutlich kostengünstiger als die Variante F.
Die nun beantragte Projektänderung (Variante G) mit dem Belassen der Schadstoffe im ufernahen Bereich und deren Kiesüberschüttung sowie dem in der Variante B beauftragten Absaugen der mit Schadstoffen belasteten Sedimentschicht im übrigen Sanierungsgebiet kostet rund 18 Mio Franken (+/- 15%).
Auch die Kompromissvariante der Lobby (siehe Blogbeitrag vom 19. April) weist das AWEL zurück, ebenso aufgrund ihrer nicht korrekten Annahme, dass in tieferen Schichten das selbe hohe Schadenspotential vorherrscht wie in den obersten Ablagerungsschichten.
Ihre Unterstützung
Da der Variantenentscheid des AWEL auf teils unhaltbaren Annahmen und zu wenig Fakten basiert und da die beantrage Projektänderung sowie das durchgeführte Bewilligungsverfahren rechtlich fragwürdig ist, reicht die Lobby beim Baurekursgericht des Kantons Zürich Rekurs ein.
Damit die Erfolgsaussichten unseres Rekurses intakt sind, ist die Lobby auf juristische Unterstützung angewiesen. Wie bereits bei unserer Eingabe erfolgt, engagieren wir eine auf Umweltfragen spezialisierte Rechtsanwältin. Vor allem ihr Aufwand betreffend Einsprache und Rekurs aber auch die je nach Gerichtsentscheid anfallenden Verfahrenskosten werden sich auf mehrere Zehntausend Franken belaufen. Dieser Betrag überfordert das Budget der Lobby bei weitem. Deshalb sind wir auf Ihre finanzielle Unterstützung angewiesen. Wir bitten Sie deshalb um Spenden, entweder per TWINT oder auf unser Konto CH37 8080 8005 2312 6201 2 lautend auf Verein Lobby für Uetikon, 8707 Uetikon am See. Wir werden Sie via unseren Blog auf dem Laufenden halten. Vielen Dank!
Die Baukommission Uetikon hat an ihrer Sitzung vom Montag, 24. April das Gesuch des Kantons betreffend Materialschüttung im See behandelt. Die Lobby hat dabei die Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt einzubringen. Schlussendlich entschied die Kommission erfreulicherweise, die beantragte Projektänderung nicht durchzuwinken, sondern von der Bauherrschaft eine Ergänzung der Unterlagen zu verlangen.